Nachgefragt

Wie funktionieren Schüler*innenfirmen genau? Was lernen Schüler*innen in den Projekten fürs Leben? Und ist das überhaupt für alle geeignet?

Wir haben nachgefragt:

Antworten gaben die Schüler*innen der Schülergenossenschaft Öko-E, Elke Neumann, Projektleitung Schüler-Unternehmen bei der DKJS, Asli Karabenli, Projektmanagerin Schülerfirmenbetreuung in Ostdeutschland bei IW JUNIOR und Thorsten Schöler von der Servicestelle Schülerfirmen bei KoBra.net.

Schülergenossenschaft Öko-E

Melina, Soraya und Luna von der Schülergenossenschaft Öko-E der Gesamtschule Windeck erzählen, was sie am Projekt reizt – und wo es für sie einmal hingehen könnte.
 

Sagt ihr bitte einmal eure Namen und wofür ihr zuständig seid?
Melina: Also ich bin Melina, Ich bin Marketingleiterin. 
Soraya: Ich bin Soraya und ich bin im Vorstand. 
Luna: Und ich bin Luna und bin auch Vorstandsvorsitzende.

Und ihr arbeitet alle für die Schülergenossenschaft Öko-E. Was macht Öko-E genau?
Wir haben verschiedene Geschäftsfelder, zum Beispiel das Palettenkarussell. Da haben wir eine App, mit der wir zwischen Firmen gebrauchte Paletten vermitteln, damit nicht noch mehr Paletten erstellt werden müssen. Wenn beispielsweise die Firma von Tom zu viele Paletten hat, und diese Paletten noch in einem relativ guten Zustand sind, dann kann Tom die Paletten mit unserer App an die Firma von Lisa abgeben, die gerade neue Paletten sucht. 

Und was macht ihr noch? 
Wir haben auch noch ein Projekt mit Apfelsaft. Wir ernten dafür im September auf Streuobstwiesen. Dann bringen wir die in die Saftkelterei Weber, die daraus Apfelsaft macht. Und den verkaufen wir dann zu besonderen Anlässen an der Schule. Auf einer Messe in Köln haben wir auch mal verkauft. Außerdem arbeiten wir auch mit Bienen. Am Standort in Herrchen haben wir unsere eigenen Bienenvölker, von denen wir oder andere Klassen Honig ernten können. Und den verkaufen wir dann. 

Was ist euch an eurer Arbeit besonders wichtig? 
Uns ist es wichtig, dass beispielsweise die Paletten nicht verbrannt werden, damit weniger CO2 ausgestoßen wird. Wir wollen, dass die Welt ökologischer ist. Und dass wir naturfreundlicher sind. Das ist so unser Gesamtziel bei unseren Projekten. Wir haben auch noch drei andere Geschäftsfelder.

Ach so, dann erzählt mal.
Da wäre einmal das Geschäft mit dem Strom, den die Bürgerwerke produzieren. Das ist so ähnlich wie bei den Paletten: Da vermitteln wir die Kunden.
Dann gibt es eine Webseite, die heißt eco-ferien, auf der wir ökologische Ferienhäuser vermitteln. Dafür schicken die Leute uns Fotos von ihrem Haus und wir gucken dann, ob das unseren Vorstellungen entspricht. Wir sehen uns zum Beispiel die Bauweise an: ob das Haus aus Holz ist und welches Dämmmaterial es benutzt. Oder wir schauen, ob es eine Photovoltaikanlage gibt. Es soll halt ökologisch sein, und wenn das der Fall ist, dann stellen wir das auf unsere Website, und wer eine Ferienwohnung braucht, kann da dann halt Urlaub machen. 

Und ich glaub, ein Geschäftsfeld fehlt jetzt noch, oder?
Ach ja! In Herrchen haben wir in einen Schulkiosk investiert, der von den Oberstufenschüler*innen geleitet wird. Da gibt es verschiedene Dinge zu kaufen, und der Gewinn wird für die Abifeier genutzt. Und wenn die Personen, die den Kiosk leiten, von der Schule gehen, macht die nächste Klasse das weiter.
Ihr seid glaube ich die einzige genossenschaftlich organisierte Schülerfirma, die dieses Jahr an der Messe teilnimmt.

Könnt ihr mal erklären, was das bedeutet, dass ihr eine Genossenschaft seid?
Wir treffen alle Entscheidung gemeinsam in einer Generalversammlung. Wir entscheiden wie in einer Demokratie und machen das nicht so, dass nur eine Person Chef*in ist.

Wie viele Schüler*innen seid ihr in der Genossenschaft? 
Insgesamt sind wir 48 Leute. Wir sind die zweite Generation. Die erste Generation hat die Öko-E am 9. März 2016 gegründet. Von denen sind auch noch welche im Aufsichtsrat und machen in diesem Jahr Abitur.

Und wie oft arbeitet ihr? 
Wir haben in der Woche zwei Stunden, in denen wir das immer machen. Und dann auch noch manchmal in den Pausen, zum Beispiel. Oder wenn der Unterricht für uns nicht so wichtig ist, dürfen wir auch unseren Aufgaben für die Öko-E nachgehen.

Seid ihr gerne in der Schülergenossenschaft? Was gefällt euch daran? 
Melina: Ich bin vor einem Jahr an die Schule gewechselt und fand es super spannend, dass es eine Genossenschaft gibt. Ich hatte an der Schule vorher schon Freund*innen, und die haben mir das gezeigt. Und ich find’s einfach cool, wenn man sich für Ökologie und sowas einsetzt. 
Soraya: Ich bin ehrlich: am Anfang fand ich es langweilig. Aber inzwischen finde ich es richtig interessant und faszinierend. Ich finde es toll, dass Herr Siems uns ermöglicht, sowas machen und lernen zu können. 
Luna: Ich finde es super, wie viel man in der Genossenschaft lernt. Man kann sehr viel verschiedene Abteilungen ausprobieren. Und auch fürs spätere Leben ist das natürlich sehr praktisch. 

Könnt ihr euch denn vorstellen, im späteren Leben auch eine Firma zu gründen oder etwas ähnliches zu machen wie jetzt?
Melina: Für mich wäre das an sich schon was, allerdings ist mein Traum, im Beruf Autorin zu werden. Deswegen würde das für mich jetzt nicht so in Frage kommen. aber für mich wäre das an sich schon was. 
Soraya: Ich finde es auch sehr cool, aber ich möchte gerne Tierärztin werden. Ich könnte ja aber auch eine Tierarztpraxis eröffnen und versuchen, die ökologisch zu machen. 
Luna: Ich find’s auf jeden Fall cool!

Wollt ihr auch noch mal erzählen, was ihr in der Genossenschaft so gelernt habt? 
Soraya: Ich habe gelernt, mit Zahlen und Rechnungen umzugehen und – weil ich jetzt im Vorstand bin – wie es ist, eine Firma zu leiten und den anderen zu sagen, was sie tun sollen.
Melina: Ich habe im Marketing gelernt, wie man richtig Werbung macht, wie man Flyer produziert, wie man schreibt und wie man Dinge verkauft. 
Luna: Bevor ich Vorstandsvorsitzende wurde, war ich sehr lange in der Buchhaltung. Dadurch habe ich auch gelernt, mit Zahlen umzugehen. Und jetzt, wo ich im Vorstand bin, habe ich gelernt, andere anzuleiten und mehrere Schritte weiterzudenken als beispielsweise nur drei. Früher habe ich oft gesagt, jeder macht irgendwas und dann klappt das schon irgendwie. Jetzt denke ich darüber nach, wie die Leute mit schweren Dingen fertig werden, damit wir mehr schaffen können. Ja, ich habe schon ziemlich viel dadurch gelernt, dass ich in der Schülergenossenschaft bin, denke ich. 

Ist es für euch das erste Mal, dass ihr auf eine Messe fahrt und euch da präsentiert?
Wir waren schon auf der Kölner Schülerfirmenmesse, dadurch haben wir schon ein kleines bisschen Erfahrung. Aber im Gegensatz zu dem, was jetzt in Berlin ist, denke ich, ist das nur etwas ganz Kleines. Die Ansprüche in Berlin sind glaube ich höher. Ohne die Unterstützung von Herrn Siems und dem Kölner Schülerfirmennetzwerk hätten wir es bestimmt nicht so weit geschafft und könnten bei der Schülerfirmenmesse gar nicht dabei sein.

Seid ihr aufgeregt?
Ja, schon. Aber wir freuen uns auch, etwas Neues zu lernen. 

Eine Schülerin macht Karriere

Bevor sie anfing bei der IW JUNIOR Schülerfirmen zu betreuen, hatte sie selber eine: Asli Karabenli (29) erklärt, warum diese spezielle Erfahrung ein Leben lang wichtig bleibt.

Wie lange bist du schon bei der IW JUNIOR?

Seit 2015. Ich war vorher studentische Mitarbeiterin in verschiedenen Bereichen. Dann war ich für Tech und Digitales zuständig. Seit knapp zwei Jahren bin ich Projektmanagerin u.a. für die JUNIOR Schülerfirmenbetreuung in Ostdeutschland. Ich betreue nicht nur Berlin, sondern auch Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern.

Deinen ersten Kontakt mit den JUNIOR-Programmen hattest du aber noch früher, oder?  

Genau. In der 11. Klasse war ich selbst Teil einer Schüler*innenfirma und nahm am Landeswettbewerb Berlin teil. JUNIOR richtet eigene Wettbewerbe aus, in den Bundesländern und bundesweit. Ich war 17 Jahre alt und wir fuhren nach gewonnenem Landeswettbewerb zum JUNIOR Bundeswettbewerb nach Hamburg, um in der Erwachsenenwelt zu bestehen. Das war für mich und wahrscheinlich für alle damals sehr aufregend. 

Und was für eine Firma wart ihr?

Mein JUNIOR Unternehmen hieß „Roadbeats“ und war vom Luise-Henriette-Gymnasium in Berlin. Unser Produkt war das Soundbike, die Geschäftsidee aber eigentlich eine Dienstleistung. Die Idee war, zwei fette Boxen und ein Mischpult an eine LKW-Batterie anzuschließen und das Ganze dann auf ein Fahrrad zu montieren. Dieses Gerät haben wir dann vermietet. Für Partys, Demos und andere Zwecke.

Habt ihr den Landeswettbewerb damals gewonnen?  

Ja! Das war sehr wichtig für mich. So etwas zu erleben, sich der Herausforderung zu stellen und zu bestehen, ist ein unbeschreibliches Gefühl. Deswegen befasse ich mich auch immer noch so gerne mit dem Thema.

Und wie ging es anschließend für dich weiter?

Als das Jahr rum war, dachte ich mir: „Das kann es ja jetzt nicht gewesen sein“. Es gibt bei JUNIOR für alle Ehemaligen ein Netzwerk, das JUNIOR Alumninetzwerk. Das ist bombastisch groß: In Europa gehören rund 30 Länder dazu, weltweit sind es noch mehr. Die Mitglieder tauschen sich auf einer eigenen Online-Plattform aus. Dabei kann es um alles Mögliche gehen. Natürlich sind auch viele Unternehmer*innen dabei, die nach der Schule etwas gründen oder einfach mit dem weitermachen, was in den Schulprojekten entstanden ist. In diesem Netzwerk bin ich jedenfalls sehr aktiv. Ich war lange im Vorstand und kümmerte mich zum Beispiel um die Kommunikation. Jetzt bin ich bald zwölf Jahre lang aktives Mitglied. Zwei Jahre nach dem Abi habe ich dann bei JUNIOR als studentische Mitarbeiterin angefangen, das war 2015.

Wann hast du das erste Mal von der Idee der Schülerfirma gehört?

Es gab an meiner Schule ein JUNIOR Unternehmen, das mit seinen leuchtenden Schnürsenkeln von Klasse zu Klasse gegangen ist und Werbung gemacht hat. Die hatten sich ganz kompliziert eine chemische Formel ausdenken müssen, um ihre Schnürsenkel zum Leuchten zu bringen. Als Verpackung dienten Reagenzgläser. Da war mir sofort klar, dass ich so etwas in der Art auch machen wollte. An Wirtschaftserfahrung hat der Schulunterricht in der Regel ja nicht viel zu bieten, höchstens verkauft man vielleicht mal Waffeln. Außerdem haben meine näheren Freund*innen auch mitgemacht. Das macht dann natürlich viel Spaß.

Wie kam das bei deinen Eltern an?

Schüler*innen, die zusammen ein Unternehmen aufbauen, sind keine Selbstverständlichkeit. Meinen Eltern war glaube ich unklar, inwiefern das zur Schulzeit passt. Aber die Zeit in der Schüler*innenfirma wurde in meinem Fall sogar benotet und floss ins Abi mit ein, das war natürlich hilfreich. Und als meine Eltern merkten, worum es da ging, haben sie mich sehr unterstützt. Unterstützung ist wichtig. Die bekommt man auch von der Lehrkraft, oder eben durch uns bei JUNIOR. Aber auch durch die anderen Firmenmitglieder und die Mitschüler*innen. Das ist ein Geben und Nehmen, denn umgekehrt unterstützt man seine Mitschüler*innen ja auch.

Wie würdest du zusammenzufassen, was du bei der Schülerfirma gelernt hast?  

Für Motivation zu sorgen, das Team zusammenzuhalten und Aufgaben zu delegieren. Skills wie Vorträge halten, zu repräsentieren und nicht nur zu präsentieren. Das Mindset „Nichts ist zu groß“. Und auch vor Wirtschaftsvertreterinnen und -vertretern zu sitzen. Da fühlt man sich ja erstmal sehr albern und klein, aber dieser Rahmen war so schön gespannt, dass man schnell das Gefühl bekam, ebenbürtig zu sein. Das gibt einem Selbstbewusstsein und hilft mit dem Auftreten. 

Für wen sind Schülerfirmen geeignet?

Schülerfirmen sind für alle geeignet. Wir sprechen alle Altersgruppen an, es gibt sogar ein Grundschulprogramm. Einiges hängt natürlich ein bisschen vom Engagement der Lehrkräfte ab. Wir unterstützen mit Workshops und Unterrichtsmaterial und bieten Beratungs-Hotlines an, die jeden Tag für die Schüler*innen und Lehrkräfte erreichbar sind. Ich würde Schülerfirmen auch wirklich allen empfehlen. Klar, ob du an einer Förderschule, an einem Oberstufenzentrum, einem Gymnasium, einer Gesamtschule oder an einer Grundschule bist, macht einen Unterschied, aber den Mehrwert hast du in jedem Fall. Und ob du beim Wettbewerb teilnehmen willst oder nicht, ist ja dir überlassen.

Was willst du mit JUNIOR und den Schüler*innen erreichen?

JUNIOR ist eine Art Brücke. Vielleicht ist man daran interessiert, ein Unternehmen zu gründen. Oder auch nicht. Vielleicht macht man nur mit, um eine neue Erfahrung zu machen. Und vielleicht entdeckt man dabei eine Stärke an sich. Oder findet heraus, was und wie man arbeiten möchte. Über unser Alumninetzwerk lernt man berufserfahrene Menschen kennen und erhält wertvolles Feedback. Die Alumni führen zu Beginn des Schuljahres auch häufig Einführungsworkshops durch. Das sind alles wichtige Punkte. Ganz besonders freue ich mich natürlich, wenn wirklich ein Unternehmen aus einer Schülerfirma erwächst. Das würde ich als Idealfall beschreiben. Aber es ist nicht der einzige Fokus. Vorrangig wollen wir Wirtschaft erlebbar machen und Jugendliche dafür begeistern.


Weitere Informationen:
Homepage der IW JUNIOR Informationen für Lehrkräfte
https://www.junior-programme.de

Kontakt:
Institut der deutschen Wirtschaft
JUNIOR gGmbH

Postfach 10 19 42
50459 Köln
Tel.: +49 (0)221 | 4981-707
junior(at)iwkoeln.de

Wie eine richtige Firma

Wie finanzieren sich Schülerfirmen eigentlich? Sind das richtige Firmen, die bankrottgehen können? Elke Neumann, Programmleiterin Berliner Schüler*innen-Unternehmen bei der DKJS, weiß Antworten.

Sind Schülerfirmen richtige Firmen?

Sind sie. Weil sie genauso funktionieren wie richtige Firmen. Sie gründen auf einer Geschäftsidee, entwickeln Produkte und Dienstleistungen, müssen Buchhaltung führen, sich ein Marketing überlegen, Mitarbeiter*innen für sich begeistern. Und das ist das Besondere daran: Die Schüler*innen erleben in dieser Lehrform die unmittelbare Praxis der Arbeit in einem Unternehmen. Von daher sind Schülerfirmen richtige Unternehmen, aber gleichzeitig auch pädagogische Schulprojekte, die im Schutzraum Schule stattfinden. 

Wie werden Schülerfirmen eigentlich finanziert?  

In der Regel wird für den Anfang gar nicht so viel Geld gebraucht. Wenn eine Firma einmal läuft, finanziert sie sich selbst. Wenn die Schüler*innen zum Beispiel ein Café gründen wollen, brauchen sie dafür ja nur das schon vorhandene Angebot an ihrer Schule zu nutzen. In aller Regel verfügen Schulen über vollausgestattete Lehrküchen, die benutzt werden können. Um an das Startkapital zum Beispiel für den ersten Einkauf zu kommen, lassen sich die Schüler*innen die verschiedensten Dinge einfallen. Das reicht vom Sponsorenlauf über den Kuchenbasar bis hin zum Spendenaufruf an Lehrer*innen und Eltern. 

Kann eine Schülerfirma bankrott gehen?

Das kann sie durchaus. Es ist bei Schülerfirmen so, dass das Unternehmen nicht den Lehrkräften, sondern den Jugendlichen gehört. Misserfolge sind durchaus erwünscht. An der Schule geht es sonst darum, erfolgreich zu sein und gute Noten zu kriegen. Aber in der Schülerfirma ist das ein bisschen anders. Das ist für die Lehrkräfte manchmal schwierig: plötzlich sollen sie sich zurücknehmen, auch wenn im Zweifelsfall die Schüler*innen mal eine Fehlentscheidung treffen. Das kommt allerdings gar nicht so oft vor, weil das meist ein so überschaubarer Rahmen ist, dass da gar nicht so viel schiefgehen kann.  

Und wenn die Schülerfirma Gewinne einfährt, was passiert dann mit diesem Geld?  

Auch das sollen die Schüler*innen selbst entscheiden. Sie könnten es reinvestieren oder vielleicht am Ende des Jahres ein kleines Team-Event finanzieren. Zu Beginn steht bei den Jugendlichen oft an allererster Stelle das Motiv, mit der Firma Geld zu verdienen. Aber es dauert nicht lange, bis sie feststellen: reich wird man damit nicht. Das Geld verliert also schnell an Bedeutung, und andere Dinge rücken dann in den Fokus.

Wie lange gibt es Schülerfirmen in Deutschland?

Das Programm für die Schüler*innen-Unternehmen gibt es bei der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung seit über 25 Jahren. Die älteste Berliner Schülerfirma, die ich kenne, heißt Schwittersart und wurde 1998 gegründet, ein Kunstgewerbe an der Kurt-Schwitters-Schule. Die Lehrkraft, die das angefangen hat, ist natürlich schon längst in Rente, es hat sich aber immer wieder jemand gefunden, der bereit war, das weiterzuführen. 

Wo stehen deutsche Schülerfirmen im internationalen Vergleich?  

Deutschland hat das am besten ausgebaute Beratungsnetzwerk für Schülerfirmen. Es gibt sie in jedem Bundesland. Wir von der DKJS werden sehr oft vom Ausland angefragt. Beispielsweise haben wir eine große und ziemlich gute Kooperation mit Lehrkräften aus der Ukraine. Wir sind auch im Austausch mit Schulen in Südkorea, Belarus, Guatemala und weiteren Ländern. Es gibt international ein großes Interesse an der Thematik, aber es fehlt vielerorts an Erfahrungen in der Praxis. Andererseits gibt es auch Länder, in denen sich das Programm ähnlich wie hier in Deutschland bereits etabliert hat, zum Beispiel die Niederlande, Schweden und Russland. 

Du leitest das Programm für Schülerfirmen bei der DKJS. Was sind die Ziele der DKJS?

Die DKJS hat sich das Ziel gesetzt, vor allem benachteiligte Kinder und Jugendliche anzusprechen, und die Schülerfirmen eignen sich ganz hervorragend dafür. Sie machen der Jugend Erfahrungen möglich, die sie in dieser Form sonst in der Schulzeit nicht macht. Außerdem erreicht die Methode auch Kinder und Jugendliche, die mit dem theorielastigen Unterricht häufiger Probleme haben, aber dafür in anderen Dingen gut sind. Die Jugendlichen können neue Leidenschaften entdecken und Erfolgserlebnisse sammeln, die ihre Selbstwertgefühle steigern. Dabei lernen sie außerdem, Verantwortung zu übernehmen. Das Programm ist eines der ältesten der DKJS.

Wie unterstützt die DKJS Schülerfirmen konkret?

Wir sind eine Anlaufstelle für Schüler*innen, Lehrer*innen und Schulen, die eine Schülerfirma gründen wollen. Wir beraten in der Regel direkt vor Ort und begleiten die Firmen von Anfang an. Außerdem informieren wir zu Themen wie Marketing oder Rechtsformen. Wir schauen uns an, welche Förderungen individuell tatsächlich gebraucht werden, und erarbeiten mit den Lehrkräften einen Lehrplan. Im nächsten Schritt machen wir mit den Schüler*innen Workshops. Und wir organisieren berlinweite Veranstaltungen, auf denen sich Lehrkräfte und Schüler*innen austauschen, Input bekommen und voneinander lernen können. 

Welche Themen liegen bei den Schülerfirmen im Trend?

Mittlerweile spielt Nachhaltigkeit in fast allen Schülerfirmen eine wahnsinnig große Rolle. Also Fragen wie: Woher beziehen wir unsere Ressourcen? Müssen wir unsere Produkte verpacken und wenn ja, wie machen wir das? Können wir etwas upcyclen, also Material verwenden, das sonst auf dem Müll landen würde? Das zweite große Thema ist Marketing im Social-Media-Bereich. Die Jugendlichen sind ja inzwischen alle auf den bekannten Plattformen unterwegs, haben kleine Hochleistungsrechner und Videokameras in der Tasche und gehen manchmal erstaunlich gut damit um. Da liegt es nahe, zu überlegen, wie sich das auch fürs Marketing einsetzen lässt. Und natürlich braucht jedes Unternehmen heutzutage unbedingt eine Internetseite. Da sind dann zwar rechtliche Hürden gesetzt, aber dafür, uns damit auseinanderzusetzen, sind wir ja schließlich da. 

Weitere Informationen:
Homepage Berliner Schüler Unternehmen
Homepage der DKJS
Startup Zukunft!

Kontakt:
Deutsche Kinder- und Jugendstiftung gemeinnützige GmbH
Tempelhofer Ufer 11, 10963 Berlin
Elke.neumann[at]dkjs.de
Tel. 030 – 25 76 76 0

Ganz kleine Firmenchefs und Firmenchefinnen

Thomas Schöler war von Anfang an mit dabei: Seit 2004 betreut er für koBra.net Schülerfirmen in Brandenburg. 

Lieber Thomas, du bist einer von sechs Berater*innen für Schülerfirmen bei koBra.net. Was ist deine Aufgabe dort?

Ich arbeite in der Servicestelle Schülerfirmen. Die gibt es in dieser Form seit 2005, was auch dem politischen Willen des Landes zu verdanken ist. Brandenburg hat sich mit der Förderung von Schülerfirmen und der Schaffung von Unterstützungsstruktur sehr weit vorgewagt. Das spiegelt sich darin wider, dass es in Brandenburg eine vergleichsweise blühende Schülerfirmenlandschaft gibt. Ungefähr jede dritte weiterführende Schule in Brandenburg hat eine Schülerfirma. Wir wissen aktuell von 150 Schülerfirmen. Das ist im Vergleich der Bundesländer schon eine ziemliche Ansage.

Die Lenné-Schule in Potsdam beherbergt gleich mehrere solcher Firmen. Wie kann das sein?

Die Lenné-Gesamtschule stellt eine Art Leuchtturm für Schülerfirmen in Brandenburg dar. Das ist zu großen Teilen auch dem sehr engagierten Lehrer Thomas Jandt zu verdanken, der diese Firmen begleitet und viel Arbeit und Herzblut in die Sache steckt. Schon seit weitaus über zehn Jahren machen sie dort Schülerfirmenarbeit, und das auf sehr hohem Niveau. Auf der Schülerfirmenmesse vertreten sind in diesem Jahr zwei davon, eine ist im JUNIOR-Programm tätig, die andere ist programmfrei und findet ähnlich wie schulische Arbeitsgemeinschaften außerhalb der Unterrichtszeiten statt. Bei Bedarf arbeiten wir mit denen relativ eng zusammen. 

Was ist das Besondere an einer Schülerfirma?

Auf der einen Seite sind Schülerfirmen Schulprojekte, auf der andern funktionieren sie wie Firmen im realen Leben und die Schüler*innen verdienen echtes Geld. Das mit dem Geld betrachten wir allerdings zweischneidig. Für uns ist das Ziel in erster Linie pädagogischer Natur, d.h. wir möchten Selbstwirksamkeitserfahrungen, Selbstbewusstsein und die Entwicklung von Social Skills fördern. Schulen sollten das Lernen in und mit Schülerfirmen ermöglichen, weil es manchmal mehr bringt als der normale Frontalunterricht und auch mehr Spaß macht. Wir beobachten regelmäßig, wie sehr die Schüler*innen durch ihre Arbeit in den Firmen wachsen, und das merken die Schüler*innen auch selbst, wenn sie sich beispielsweise mit Erwachsenen unterhalten oder eine Präsentation in der Schule abliefern. Insgesamt kann das Lernen in Schülerfirmen als sehr lebensnah beschrieben werden. Die Arbeit ist dabei nur Mittel zum Zweck.

Entwickeln sich Schülerfirmen weiter?

Schülerfirmen entwickeln sich auf ähnliche Weise wie die Gesellschaft weiter. Es wird digitaler, auch die Geschäftsideen werden digitaler. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe an Projekten, die zum Beispiel mit 3D-Druck arbeiten. Teilweise gibt es auch Online-Plattformen. Die Kommunikation hat sich ebenfalls – auch durch den Einfluss von Corona – verändert. Eine weitere Entwicklungslinie ist, dass sich Grundschulen zwar noch auf recht niedrigem Niveau mit der Thematik und dem pädagogischen Ansatz auseinandersetzen, sich aber zunehmend dafür interessieren. Und dass im Allgemeinen die Schülerfirmenlandschaft breiter wird. 

Wie sieht die Arbeit in den Schülerfirmen eigentlich aus?

In der Regel arbeiten die Schüler*innen sehr solidarisch miteinander. Die von den Schülerfirmen erzielten Gewinne werden oft in ein gemeinsam im Team erfahrenes Erlebnis oder in karitative oder soziale Projekte investiert. Wer sich bei der Schülerfirmenmesse ein Bild von den Schülerfirmen macht, sieht sofort, was für tolle Jugendliche das sind, die da mitmachen.

Gibt es ein Mindestalter für Schüler*innen, die an ihrer Schule eine Firma starten wollen?

Das sind teilweise ganz kleine Firmenchefs und vor allem Firmenchefinnen. Die jüngsten, die wir in Brandenburg haben, sind zirka neun Jahre alt und auf der Schwelle zwischen dritter und vierter Klasse.

Weitere Informationen:
Homepage von KoBra.net
Servicestelle Schülerfirmen

Kontakt:
KoBra.net. Kooperation in Brandenburg
Gemeinnützige GmbH

Benzstraße 8/9
14482 Potsdam
Tel: 0331 - 704 6956
Mail: info[at]kobranet.de